NABU-Pressedienst, NABU Kreisverband Dieburg, Nr. 20, 11. Mai 2010:

Die Reinheimer Sumpfschildkröten

Das Projekt löst bundesweit Interesse aus

Die AG Naturschutzscheune am Reinheimer Teich hatte zur Exkursion mit der Biologin Silke Schweitzer eingeladen, und trotz des regnerischen Wetters kamen rund 30 Interessierte zur Scheune. Dietmar Wanke von der Arbeitsgemeinschaft konnte dabei auch die beiden neuen Naturschutzwarte vom Forstamt Dieburg begrüßen und, wie sich später noch herausstellte, waren sogar Interessenten aus Mühlheim an der Ruhr und aus Bad-Kreuznach gekommen, um Neues über dieses seltene Vorkommen zu erfahren.

Silke Schweitzer, die Betreuerin des Projektes, legte zunächst dar, wie wichtig dieses Vorkommen für einen hessen- und bundesweiten Populationsaufbau ist, da in anderen Regionen, außer im Elbe- Havelraum keine genetisch nach Mitteleuropa gehörenden Populationen mehr vorhanden sind und höchstens einmal Einzeltiere gefunden wurden. Reinheimer Sumpfschildkröten werden im Frankfurter Zoo also vermehrt, um im Reinheimer Teich aber auch in anderen geeigneten Biotopen ausgesetzt zu werden und da und dort eine neue Besiedlung zu ermöglichen.

Anhand mitgebrachter leerer Schildkrötenpanzer erläuterte Schweitzer, wie kompliziert die Fortpflanzung funktioniert. Es muss vieles zusammenstimmen: Stillgewässer mit gutem Nahrungsangebot, ungestörte und nicht zu dicht bewachsene Eiablageplätze in einer erreichbaren Entfernung, die allerdings bis zu 3 km betragen kann. Dort wird mitgebrachtes Wasser zum Aufweichen des Bodens genutzt und dann in eine selbst gegrabene Mulde bis ca. 15 cm tief  bis zu 20 festschalige Eier abgelegt. Und von der Sonne ausgebrütet. Es erfolgt keine Brutpflege.

Die Jungen entwickeln sich bis im Herbst, verlassen aber die schützende Mulde meist erst im Frühjahr. Diese Plätze werden von den Weibchen immer wieder aufgesucht, dürfen also nicht unbrauchbar werden z. B. durch intensive Bearbeitung, wie Pflügen usw. oder durch dichten Bewuchs, wenn es um wenig genutztes Gelände geht. Auf dem Weg zurück zum Gewässer ist es für die Jungtiere sehr hilfreich, wenn kleine Gewässer auf dem Weg liegen, um Nahrung und tagsüber Schutz auf dem langen Weg zu finden. Zum Überwintern brauchen die alten Tiere möglichst schilfreiche flache Gewässer, in denen sie auch eingefroren überleben können.

Zur Befruchtung ist es nur in längeren Abständen nötig, dass sich Männchen und Weibchen treffen, da die Weibchen Sperma längere Zeit speichern können. Zum Glück der Europäischen Sumpfschikröte fehlt dann nur noch ein Gewässer, das möglichst frei von stärkeren exotischen Konkurrenten, wie z. B. der Gelbwangenschildkröte ist, damit ihr die meist raren, zum Energietanken unbedingt notwendigen Sonnenplätze auf Steinen am Ufer oder auf umgebrochenen Baustämmen nicht streitig gemacht werden. Das Ganze ist also ein sehr fragiles Geschehen, das wohl nur noch in geschützten Landschaftsteilen funktionieren kann.

Auf dem Weg zum Gewässer erläuterte Silke Schweitzer dann noch verschiedene Hilfsmaßnahmen, wie eine neu angelegte Eiablageböschung mit Tümpel oder ein Sonnenfloß und machte Angaben über die bisher schon ca. 30 ausgesetzten Jungschildkröten und ihre Beobachtung über Peilsender, um Erkenntnisse über die bevorzugten Biotopbereiche zu sammeln.

Der erhoffte Höhepunkt einer  Schildkröten-Beobachtung konnte trotz Ausrüstung mit Fernglas und Spektiv nicht erfüllt werden: Bei Regen und Kälte bleiben die dann trägen Tiere im schützenden Wasser.

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