Bestandsentwicklung:
Im Jahre 1934 fand in Deutschland ein Weißstorchzensus statt, bei dem ca.
9.000 Brutpaaren gezählt wurden. 1980 wurde eine Abnahme auf 2.000-3.000
Paare festgestellt. In Deutschland kam es durch Entwertung von Auen,
Entwässerungen und intensiver Landwirtschaft zu massiven
Lebensraum-verlusten. Viele Störche starben durch elektrische Freileitungen
und gefährliche Strommasten.
In den 1960er und 70er Jahren gab es eine Trockenperiode in der Sahelzone
(Überwinterungsgebiet), was zu massiven Bestandseinbrüchen führte.
Die immer noch aktuellen Gefährdungen liegen meist entlang
der Zugrouten und in den Überwinterungsgebieten. Der Verlust von geeigneten
Rastgebieten, Dürren, Bejagung und Pestizideinsatz in den
Überwinterungsgebieten fordert noch heute viele Todesopfer.
Im Jahre 2008 wurden für Deutschland 4.200–4.600 Brutpaare
angegeben.
In Hessen war der Storch nach offizieller Zählung mit nur
einem Brutpaar (1989/1990) fast ausgestorben. Seit Mitte der 1990er Jahre
kann eine stetige Erholung der Bestände beobachtet werden (Zahlen nach
Arbeitsgruppe Weißstorchberingung in Hessen):
Im Landkreis Darmstadt-Dieburg fehlte der Weißstorch 29 Jahre
lang. Erst 2000 siedelte sich ein Storchpaar bei Münster an, 2002 im Hehnes
(Gemarkung Semd) und 2006 ein Paar auf der Teichscheune im NSG Reinheimer
Teich. Im Jahre 2016 brüteten im NSG Reinheimer Teich 11 Brutpaare. Bis auf
das Paar auf der Teichscheune und einem Paar auf einem Hochsitz waren alle
Baumbrüter, z.B. in der Reiherkolonie. Mittlerweile gibt es im Landkreis
Darmstadt-Dieburg wieder 59 Brutpaare mit 89 Jungen (Stand 2019).
Für diesen positiven Trend gibt es verschiedene Gründe. In
unserem Fall profitieren wir von dem Zuwachs der Westzieherpopulation. Die
Zugwege wurden verlagert bzw. verkürzt von der Sahelzone (Westafrika) auf
die iberische Halbinsel (Spanien). Die Rückkehrrate ist dadurch wesentlich
höher. Dagegen fliegen die ostziehenden Störche die beschwerliche und
verlustreiche Route über den Bosporus und Kleinasien nach Afrika. Diese
Störche brüten meistens im Nordosten von Deutschland. Die Population dort
stagniert und verringert sich sogar.
Neben den vielen Schutzmaßnahmen, wie Entschärfung der
Strommasten und -leitungen, Schutz und Verbesserung der Lebensräume (z.B.
Vernässungsprogramme, verstärkte Weidetierhaltung und Flächenstilllegung),
half dem Weißstorch auch sein breites Nahrungsspektrum: er kann auch Futter
auf Mülldeponien oder in Tierparks finden. In den 1970er und 80er Jahren
wurden zusätzlich Tiere in Gehegen und Tierparks großgezogen und
anschließend zur Wiederansiedlung in die Natur entlassen.
Merkmale:
In der Brutzeit besitzt der Weißstorch einen leuchtend roten
Schnabel und rote Beine. Jungvögel haben einen dunklen und anfangs auch
kürzeren Schnabel. Nach dem Ausfliegen ist meist nur noch die dunkle
Schnabelspitzen zu erkennen. Das Grundgefieder ist weiß, nur die
Schwungfedern und teilweise die Oberflügeldecken sind schwarz.
Lebensweise:
Der Weißstorch brütet in naturnahen Niederungen mit hohem Grünlandanteil und
hoch anstehendem Grundwasser. Es werden Stromtalwiesen und Auenwiesen
besiedelt. Als Brutplätze werden Schornsteine, Kirchtürme, Dachreiter,
Masten und zunehmend auch Bäume (in Hessen ca. 50%) genutzt. Die meisten
Brutplätze werden bei uns im Februar/März besetzt. Ein Storchenpaar kehrt
jedes Jahr zu seinem Horst zurück. Dies kann im Frühjahr zu heftigen Kämpfen
führen. Die Männchen erreichen in der Regel zuerst das Nest vom Vorjahr und
besetzen es. Der Weißstorch führt keinen Reviergesang durch, sondern er
klappert zur Begrüßung oder zum Warnen mit dem Schnabel (Klapperstorch).
Einmal im Jahr werden (3-) meist 5 Eier abgelegt und nach ca. 33 Tagen
schlüpfen die Jungen. Das Futter und auch das Wasser wird im Kehlsack
transportiert und ausgewürgt.
Die Nahrung besteht aus kleinen Wirbeltieren wie Amphibien,
Reptilien, Mäusen und Fischen. Aber auch Insekten und Regenwürmer werden
verspeist, bzw. auch verfüttert. Das höchste Alter eines beringten Tieres
war 35 Jahre. Im Durchschnitt werden Weißstörche nur 8-10 Jahre alt.
Der Abzug in die Winterquartiere findet im August/September
statt. Es werden aber zunehmend auch Überwinterungsversuche in unserem Raum
beobachtet. Das Storchenpaar auf der Teichscheune kann das ganze Jahr über
am Reinheimer Teich beobachtet werden. Sie sind nur bei geschlossener
Schnee- oder Eisschicht kurzzeitig nicht anwesend.
Gllücksbringer:
Der Weißstorch gilt in vielen europäischen Sagen und teilweise auch weltweit
als Überbringer von Säuglingen. In europäischen Ländern besteht sogar oft
ein mathematischer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Störche und der
Geburtenrate: Wenig Störche, wenig Babys und viele Störche, viele Babys.
Dies ist aber natürlich kein ursächlicher Zusammenhang und wird als
„Scheinkorrelation“ bezeichnet.
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